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Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung in Schleswig-Holstein im Jahr 2024 (BVAnpG 2024)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu dem Gesetzentwurf folgendermaßen Stellung:

Tenor

Die vorgesehenen Einzelmaßnahmen zu einer Verbesserung der Besoldung sind nur in ihrer Intention zu begrüßen. Sie lösen die bestehenden Probleme der R-Besoldung weder strukturell noch dem Volumen nach.

Ausgangspunkt des Gesetzentwurfs wird nicht durchgehalten

Die Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf zeigt zutreffend auf, dass sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Mindestabstands der Beamtenbesoldung zur Grundsicherung als auch unter dem Gesichtspunkt eines angemessenen Inflationsausgleichs ein deutlicher Anpassungsbedarf besteht. Diesen Erfordernissen wird der Gesetzentwurf aber nur unzureichend gerecht.

Zwar wird der aktuelle Tarifabschluss vollständig übernommen und es werden punktuell auch weitergehende Leistungen gewährt. In der Gesamtbetrachtung reichen die vorgesehenen Anpassungen jedoch nicht aus, um die in der R-Besoldung bestehenden Besoldungsdefizite aufzufangen. Im Ergebnis wird für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte kein Inflationsausgleich hergestellt und es mangelt nach wie vor an einer systemgerechten Lösung der Abstandsproblematik zur Grundsicherung. Das Abstandsgebot wird durch weiter aufgestockte Ergänzungszuschläge zunehmend verwässert, so dass das verfassungsrechtliche Gebot der Besoldung nach der Wertigkeit des ausgeübten Amtes verletzt wird. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Lineare Anpassung zum 1.11.2024 der Höhe nach ungenügend

Das Vorziehen der linearen Komponente des Tarifabschlusses von 5,5% um drei Monate, von Februar 2025 auf November 2024, wird für sich genommen begrüßt. Der Zeitversatz nach vorn soll verhindern, dass im Haushaltsjahr 2024 der verfassungsrelevante Parameter „Vergleich mit der Entwicklung der Nominallöhne“ verletzt wird. Dies aber ändert nichts daran, dass die lineare Verbesserung allein wegen des Kaufkraftverlustes um durchschnittlich 5 % zu niedrig ausfällt (siehe unten).

Tabellensockelbetrag in Höhe von 200 €

Der aus dem Tarifabschluss übernommene einheitliche Tabellensockel von 200 € begünstigt die unteren Lohn- bzw. Besoldungsgruppen und führt zu einer relativen Schlechterstellung der R-Besoldung. Wir sind der Meinung, dass Sozialpolitik von der Lohn- und Besoldungspolitik zu trennen ist. Dies insbesondere auch deshalb, weil nach sozialer Bedürftigkeit definierte Besoldungsbestandteile mittlerweile ein Ausmaß angenommen haben, dass das durch Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz vorgegebene Gebot der Besoldung nach der Wertigkeit des ausgeübten Amtes verletzt wird.

Inflationsausgleichsprämie in Höhe von insgesamt 3.000 €

Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von insgesamt 3.000 € schafft eine kurzfristige Entlastung im Hinblick auf die Auswirkungen der außerordentlich hohen Inflation der Jahre 2022 und 2023, die im vorangegangenen Tarifabschluss über linear 2,8 % bei einer Laufzeit von 2 Jahren nicht einmal ansatzweise abgebildet war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Corona Prämie und der im Besoldungsbereich gewährten strukturellen Zusatzkomponente von 0,6 Prozentpunkten. Die Einbeziehung dieser steuerfreien Leistung in das Tarifergebnis und die nachfolgende Besoldungsanpassung ist zwar bei isolierter Betrachtung sinnvoll. Es leuchtet auch ein, dass die unteren Besoldungsgruppen besonders von der Inflation betroffen sind. In der Gesamtbetrachtung ist der Anteil aller sozial definierten Besoldungsbestandteile an den nach Ämtern durchgestuften Tabellengehältern jedoch zu hoch.

Niveauabsenkung der R-Besoldung

Auf ganzer Linie enttäuschend und nicht hinzunehmen ist, dass bei gemeinsamer Betrachtung der letzten beiden Tarifabschlüsse ein Inflationsausgleich für Empfänger der R-Besoldung nicht mehr erreicht wird. Beide Abschlüsse zusammengenommen werden mit einem deutlichen realen Minus enden.

Für den relevanten Zeitraum von 4 Jahren, der durch die Umsetzung der Tarifabschlüsse abgedeckt wird, ergibt sich per Saldo eine Inflationsrate von voraussichtlich 17,3 %, nämlich 2022: 6,9%, 2023: 5,9%, e2024: 2,6% und e2025: 1,9%. Demgegenüber folgt aus der vergangenen und der aktuellen Anpassung unter Addition aller Komponenten für denselben Zeitraum eine Erhöhung, die bei bestenfalls 13,3 % in der ersten Stufe R 1 und bei 11,6 % in der Endstufe R 2 liegt, ab R 3 noch darunter. Im Ergebnis tritt damit ein reales Minus zwischen 4 % und 6 % füralle Empfänger der R-Besoldung ein.

Dieser Verlust wird auch durch die Einmalzahlungen, insbesondere durch die „Inflationsausgleichsprämie“ nicht kompensiert. Denn die gewährten Einmalzahlungen haben nur einen punktuell positiven Effekt und sollen die zeitliche Verzögerung der linearen Anpassungen überbrücken. Einmalzahlungen sind jedoch nicht tabellenwirksam, so dass sie mangels Fortwirkung die Niveauabsenkung am Ende nicht verhindern können.

Zukünftige Maßnahmen

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband geht weiterhin davon aus, dass die aktuelle und mit dem Gesetzentwurf geplante Besoldung ihrer Struktur und ihrer Höhe nach vor dem Bundesverfassungsgericht nicht durchstehen wird. Wir appellieren an die politisch Verantwortlichen, sich den Bedenken, mit denen wir nicht allein sind, zu öffnen und – statt abzuwarten - in den entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppen Planungen für neu strukturierte Besoldungstabellen aufzunehmen. Ein „Reparaturbetrieb Besoldung“ wird dem öffentlichen Dienst mit seinen Nachwuchssorgen keinesfalls gerecht.