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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung in Schleswig-Holstein im Jahr 2022 (Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2022 - BVAnpG 2022)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu dem Gesetzentwurf folgendermaßen Stellung:

Wir begrüßen die kurzfristige Übernahme des Tarifabschlusses vom 29. November 2021 auf den Besoldungsbereich. Die Erhöhung der Tabellengehälter um linear 2,8 % zum 1. Dezember 2022 entspricht inhaltlich dem Tarifergebnis. Die ergänzend dazu vorgesehene Umsetzung der zweiten Stufe der 2019 mit den Spitzenverbänden vereinbarten Verbesserung der Besoldungsstruktur durch eine zusätzliche lineare Anhebung der Tabellengehälter um 0,6 % zum 1. Juni 2022 wird ebenfalls begrüßt. Dies gilt gleichermaßen für die neu aufgenommene lineare Anpassung der Stellenzulagen und aller festen Beträge der Erschwerniszulagenverordnung sowie der Mehrarbeitsvergütungsverordnung.     

Problematisch sind die im Gesetzentwurf nicht aufgegriffenen Punkte.

Wir vermissen zunächst einen adäquaten finanziellen Ausgleich für die an der Corona-Prämie in Höhe von 1.300 € nicht teilhabenden Pensionäre. Die vollständige Ausklammerung der Pensionäre von einer ergänzenden (steuerpflichtigen) Einmalzahlung kann nicht mit dem Tarifergebnis selbst und/oder den steuerrechtlichen Vorgaben für die Corona-Prämie gerechtfertigt werden. Die Tarifvertragsparteien haben allein eine Regelung für die aktiv im Angestelltenverhältnis Beschäftigten getroffen. Sie haben keinerlei Zuständigkeit für die Besoldung der Pensionäre. Hier ist der Dienstherr selbst in der Verantwortung, angemessene Lösungen zu finden. Die Anhebung der Pensionen um 2,8 % über eine Laufzeit von 24 Monaten (1. Oktober 2021 bis 30. September 2023) reicht jedoch mit Blick auf die aktuell zu verzeichnende und für die Jahre 2022 und 2023 prognostizierte Inflationsrate nicht einmal für ihren realen Werterhalt. Dies gilt selbst unter Einbezug der Strukturkomponente von 0,6 Prozentpunkten. Die Pensionäre werden so von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse abgekoppelt. Das ist nicht hinnehmbar.

Die Übernahme des Tarifabschlusses und die ergänzend dazu im parallelen Gesetzentwurf zur Herstellung eines angemessenen Abstandes zur sozialen Grundsicherung (LT-Drs. 19/3428) vorgesehenen Besoldungsaufwertungenreichen nach wie vor nicht aus, um eine angemessene, den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz entsprechende Besoldung für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte herzustellen. Die in der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs auf der Grundlage der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorgenommene Parameterberechnung, welche eine verfassungsgemäße Besoldung belegen soll, überzeugt nicht. Die wiederholt zu verzeichnende Abkoppelung der Beamtenbesoldung von der Entwicklung der Nominallöhne und der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst entfällt allein aus statistischen Gründen. Der maßgebliche 15-jährige Betrachtungszeitraum knüpft ab dem Jahr 2022 an das Basisjahr 2007 an, so dass die mit der Streichung der Sonderzuwendung in 2006 verbundenen Einkommensverluste nicht mehr in die Vergleichsberechnung einfließen. Das bedeutet aber nicht, dass das Problem nunmehr gelöst ist, erst recht nicht für die Vergangenheit.

Darüber hinaus sehen wir zumindest für den höheren Dienst auch weiterhin den Parameter „Systeminterner Besoldungsvergleich/Abstandsgebot“  verletzt, weil die ab 2022 vorgesehenen Ergänzungszuschläge gemäß der Neufassung des § 45a Abs. 1 Landesbesoldungsgesetz ausschließlich zugunsten der unteren Besoldungsgruppen wirken und eine folgerichtige, systemgerechte Anpassung für den höheren Dienst nicht vorgesehen ist. Insoweit sehen wir das verfassungsrechtlich garantierte Abstandsgebot verletzt.      

Zur Herstellung einer verfassungsgemäßen, attraktiven und wettbewerbsfähigen Besoldung bedarf es insbesondere auch für den höheren Dienst weiterer struktureller Aufwertungen. Der höhere Dienst nimmt aufgrund sozialer Komponenten in den Tarifabschlüssen und den Besoldungsgesetzen seit Jahren nur unterproportional an der Gehaltsentwicklung teil, obwohl insbesondere die Angehörigen des höheren Dienstes zu den am Markt besonders gesuchten Fachkräften gehören und an ihre Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft auch im Landesdienst hohe Anforderungen gestellt werden. Wir konstatieren eine zunehmende Abkoppelung von den Marktgehältern und den am Arbeitsmarkt üblichen Vergütungsstandards, die die Qualität öffentlicher Dienstleistungen und die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gefährdet. Wir erwarten deshalb eine zukunftsfähige Gestaltung, die es dem Land ermöglicht, im sich verschärfenden Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte auch auf den höheren Positionen mithalten zu können. Es erscheint uns unangemessen, die bereits über viele Jahre bestehenden Probleme unter Hinweis auf ausstehende Urteile des Bundesverfassungsgerichts weiter auf die die lange Bank zu schieben.